Frühzeit der Taschenrechner
Text und Bilder: Robert und Micha Weiss
Einen Bedarf nach tragbaren Rechenhilfen (Blechrechner, Rechenschieber, Rechenscheibe usw.) gab es bereits vor der Einführung der elektronischen Taschenrechner. Meist handelte es sich dabei um einfache Addiermaschinen. Auch Vier-Spezies-Maschinen wie die Curta waren im Taschenformat erhältlich. Direkte Vorläufer der elektronischen Taschenrechner waren elektronische Tischrechner, die allerdings grössere Abmessungen hatten.
Der erste elektronische handflächengrosse Taschenrechner wurde 1967 nach einem Patent von Jack Kilby von Texas Instruments (TI) entwickelt. Die ersten kommerziell vertriebenen Taschenrechner wurden 1969 und 1970 von der kalifornischen Firma Compucorp sowie den japanischen Firmen Sanyo, Sharp und Canon hergestellt. Diese Taschenrechner verfügten über wenig mehr als die vier Grundrechenarten. 1972 erschien mit dem HP 35 von Hewlett-Packard der erste technisch-wissenschaftliche Taschenrechner mit trigonometrischen, logarithmischen und Exponentialrechnungs-Funktionen. Er wurde ein Verkaufserfolg und leitete das Ende der damals noch weit verbreiteten Rechenschieber ein. Vor allem Hewlett-Packard und Texas Instruments entwickelten ab 1974 auch programmierbare Taschenrechner und Ende der 1980er-Jahre kamen die ersten grafikfähigen Taschenrechner (GTR) auf den Markt.
Sharp QT-8D ”Micro Compet”, 1969
Der Sharp QT-8D "micro Compet" war der kleinste elektronische Rechner zu dieser Zeit. Es wurden nur platzsparende MOS LSI-ICs (Metal Oxide Semiconductor, Large Scale Integration) verwendet und vier davon waren für die Rechnerfunktionalität nötig. Er war auch der erste Rechner, der ein Vakuum-Fluoreszenz-Display (VFD, grün, acht Stellen) verwendete, und beherrschte die vier Grundrechenoperationen.
Hersteller: Sharp, Osaka, Japan.
Casio AS-B (Casio 121-B), 1970
Dieses klobige Gerät kann als Übergang vom Tischrechner zum Taschenrechner gesehen werden. Es beherrschte nur die vier Grundrechenarten und das Resultat wurde mit zwölf Nixie-Röhren, ohne Dezimalpunkt und negative Zahlen angezeigt. Für die Tasten wurden noch sog. Reed-Relais mit Magneten eingesetzt. Innenleben: 33 ICs und 14 Transistoren, 186 Dioden.
Hersteller: Casio, Tokio, Japan.
Canon Pocketronic, 1970
Einer der ersten tragbaren, batteriebetriebenen kommerziellen Taschenrechner mit einem unverwechselbaren Merkmal: Er hatte kein Display und die Berechnungen wurden auf Thermopapierstreifen ausgedruckt. Er verfügte über die vier Grundfunktionen und war mit drei MOS-ICs von TI ausgerüstet.
Hersteller: Canon, Tokio, Japan.
Sanyo ICC-804D, 1971
Sanyo war bereits im Mai 1970 mit dem ICC-82D (Integrated Circuit Calculator) auf den Markt gelangt. Aber Batterie und Nixie-Röhren waren eine schlechte Lösung und so hatte der Nachfolger ICC-82D bernsteinfarbene Gasentladungsröhren. Die Schlüsselkomponente des ICC-804D war dann die neueste Display-Technologie: das kleine achtstellige Light-Emitting-Diode (LED)-Display. Er beherrschte die vier Grundfunktionen und war mit vier hauseigenen MOS-ICs ausgerüstet.
Hersteller: Sanyo Electronics, Moriguchi, Japan.
Sinclair Cambridge Scientific, 1976
Dieser Kleinrechner war die Tiefpreisversion (90 USD) eines technisch/wissenschaftlichen Taschenrechners und gehörte zur erfolgreichen Cambridge Familie, welche 1973 lanciert worden war. Er war der erste Rechner mit algebraischer Logik, welcher die Wahl zwischen wissenschaftlicher und normaler Notation, zwischen Grad- und Bogenmassoperationen und einen vollständigen Fünf-Funktionen-Speicher bot. Er hatte ein achtstelliges LED-Display im wissenschaftlichen Format mit einer fünfstelligen Mantisse und einem zweistelligen Exponenten.
Hersteller: Sinclair Radionics, Cambridge, UK.
HP 67, 1976
Der HP 67 war ein programmierbarer Taschenrechner und als RPN-Rechner mit Stacks und Mehrfachfunktionstasten ausgelegt. Die Programmierung (224 Programmschritte) war über Magnetstreifen möglich.
HP bot eine umfangreiche Programmbibliothek für Wissenschaft, Statistik und Business an. Anzeige: 15-stellige rote LED-Segmentanzeige. Produktion 1976 bis 1982.
HP 35, 1972
Der erste Taschenrechner von HP und zugleich der erste technisch-wissenschaftliche Taschenrechner. Seinen Namen hat er von den 35 Tasten. Technisch ist dieser RPN-Rechner mit fünf ICs (Mostek) aufgebaut. Anzeige: 15-stellige rote LED-Segmentanzeige. Dieser Rechner verdrängte den Rechenschieber und die Logarithmentafel sehr rasch. Kostenpunkt des HP 35 bei seiner Einführung: 1800 - 2000 CHF.
Hersteller: Hewlett-Packard, Palo Alto, USA.
TI 2510 Datamath, 1973
Der Datamath (begehrtes Sammlerstück) gehörte zur ersten Taschenrechnergeneration von Texas Instruments und war der erste Rechner, der mit nur einem Rechner-IC (TMS0119) aufgebaut war. Er verfügte über vier Grundrechenarten und hatte eine achtstellige rote LED-Anzeige. Er kostete 1973 rund 60 USD.
Hersteller: Texas Instruments, Dallas, USA (Produktion 1973 bis 1974).
MR. MUS-I-CAL Modell 560, 1980er-Jahre
Der Hersteller Concept 2000, bekannt für seine Radios, Funkgeräte und Videogames für Jugendliche, baute diesen Taschenrechner (mit vier Grundfunktionen) für das vergnügliche Rechnen. Bei jedem Tastendruck ertönte ein unterschiedliches Tonsignal, sodass man mit Melodien rechnen konnte.
Hersteller: Concept 2000, Hongkong.
TI 59, 1977
Der TI-59 ist ein programmierbarer technisch-wissenschaftlicher Taschenrechner von Texas Instruments mit eingebautem Magnetkartenleser. Er war das Konkurrenzprodukt zum HP 67, der allerdings doppelt so viel kostete. Zur Markteinführung bot der TI 59 als weltweit erster Taschenrechner auswechselbare Programm-Module auf Halbleiterbasis (ROM) mit fest einprogrammierten Anwendungsprogrammen („Solid State Software“). Er hatte ein zehnstelliges rotes LED-Display, 100 Speicherregister und konnte mit 960 Befehlsschritten programmiert werden.
Hersteller: Texas Instruments, Dallas, USA.
Grössenvergleich der Technologien mit gleichen Funktionen
Recheneinheit mit diskretem Aufbau (Transistoren) und Nixie-Röhren-Anzeige, 1965
Recheneinheit mit vier IC (LSI-Technik) und Nixie-Röhren-Anzeige, 1969
Recheneinheit mit einem IC und einer LCD-Anzeige, 1975
Moderner Rechner aus Stäfa, ein IC, Model DM32 mit 171 Funktionen, 2024.
Hersteller: SwissMicros GmbH, Stäfa, Schweiz.